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Biel: Harry
Potter und der Feuerkelch
Pottermania Man schrieb Freitag, den Dreizehnten Oktober 2000. Diese unglückliche, glückliche , für viele Menschen jedenfalls geheimnisvolle Konstellation bildete für Harry Potter idealste Voraussetzungen, seinen „Feuerkelch" unter die Leute zu bringen. Von langer Hand war dieses Ereignis geplant worden, rein äusserlich betrachtet weniger durch Zauberei denn vielmehr durch raffinierte Marktstrategien, so auch in Biel in der Buchhandlung Lüthy an der Dufourstrasse. Kaum waren die dumpfen elf Schläge der Glocken der Stadtkirche Biel verklungen, da öffneten sich die Tore, und in Harry Potters Reich strömten Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene jeglichen Alters. Die Buchhändlerinnen mussten ganze Gestelle abräumen, um möglichst vielen einen Sitzplatz anbieten zu können. Und wer keine Sitzgelegenheit mehr ergattern konnte, der liess sich einfach auf dem Boden nieder, möglichst nahe dem Erzähler im Umfeld von Winnie Pu, vom „Elfenbuch", im Umfeld von Frauenthemen, MP3, von Office 2000, Esoterik, von Psychoanalyse, aber auch von Java-Script, Perl und XML. Doch zu bald mitternächtlicher Stunde waren all diese Bereiche kein Thema, man wartete gespannt auf Harry Potter, den Zauberer, den Magier, den sympathischen, bescheidenen Jungen. - „Es freut mich, dass ihr so zahlreich erschienen seid", begrüsste Rosmarie Schenk die erwartungsvollen Gesichter. Auch die Medien waren gut vertreten, hier Biel-Bienne, dort Telebielingue, und selbstverständlich auch das Bieler Tagblatt. Urs Peter Wolters, Schauspieler und Regisseur, schlug feierlich das erste Kapitel „Harry Potter und der Feuerkelch auf" und begann vorzulesen, von „Little Hangleton" und vom „Riddle-House", wo etwas Entsetzliches geschehen ist. „.....und die Stimme des zweiten Mannes veränderte sich. Er gab nun Laute von sich, wie Frank sie noch nie gehört hatte, er zischte und fauchte ohne Luft zu holen...." - Erwachsene schmunzelten, einige Kinder schauten nachdenklich drein. - „...er drehte sich um und erstarrte vor Schreck. Über den dunklen Boden des Korridors glitt etwas auf ihn zu, und als es sich dem Lichtstreifen des Feuers näherte, erkannte er mit einem Schauder des Entsetzens, dass es eine gigantische, gut vier Meter lange Schlange war.....", las Urs Peter Wolters. - Magie der Worte, denn einige Kleine und Grosse schauten vorsichtshalber um sich, ob da nicht doch ein greulicher Lindwurm von der Bildungs- und Reiseabteilung im Sous-sol emporgekrochen kam oder gar durch die Haupteingangstüren. Doch die dumpfen Schlaggeräusche stammten von zwei Buben, die sich vor dem Schaufenster auf dem Trottoir in „Skateboarding" übten. - Bis 24.00 Uhr blieben nun noch einige Minuten. „.....4, 3, 2, 1, 0.....jupieeh....", schrie eine Buchhändlerin im Harry-Potter-Look. Und nun klingelte die Kasse. Ebensoschnell wie die Potter-Bücher verschwanden die mit leckerer Konfitüre beschlagenen „Spitzbuben", flossen Rhäzünser, Wein und Himbeersirup. - Nun, Marketing-Strategie oder Manipulation oder spitze Bemerkungen von Lektorinnen und Lektoren hin oder her - der Abend in der Lüthi-Buchhandlung hat gezeigt, dass Menschen ihre Fähigkeit, sich ins schlichte, gesprochene oder gelesene Wort zu vertiefen, nicht verloren haben. Wer glaubte, moderne junge Menschen lediglich noch mit „Special Effects", mit „Pokemon" oder „Sailer-Moon" usw. ansprechen zu können, strafte der Potter-Abend Lügen. Ein Phänomen, von dessen Ausmass vielleicht selbst die Autorin Joanne K. Rowling überrascht wurde. Walter Winkler [für BT Montag 16.10.2000] |
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